Montag, 22. Juni 2015

typisch Shetland: Viechzeug


Shetland-Schafe kennt man ja.... das sind die kleinen mit der supertollen Wolle, die es in zig Farben gibt. Die Farben haben alle noch ihre alten Namen was ja vermuten läßt, daß die Farbe wichtig war. Oder es war wichtig, die Schafe zu unterscheiden.
Shetland-Ponys kennt man auch. Die sind auch besonders klein und haben reizende Fohlen.
Es gibt aber noch mehr Shetland Rassen. Da wäre zum Beispiel die Shetland Kuh. Ebenfalls nicht die größte aber nicht auffällig winzig (oder zwergwüchsig wie die Dexters).
Shetland-Enten - gibt es auch. Normale Entengröße würde ich sagen. Sehr hübsch schwarz-weiß.
Shetland-Gänse: Auch nicht winzig. Ganter weiß, Gänse bräunlich
Shetland-Hühner: Mit Haube und blaugrünen Eiern.
All dieses Shetland-Viechzeug findet man hier:


Auf der Farm von Mary und Tammie Isbister auf Trondra. Die beiden sind ganz große Klasse. Ihr Hof ist offen für Gäste - man kann nach Herzenslust umherstreifen und wenn Mary denkt, daß Kinder im Anmarsch sind, werden schnell Milchflaschen für die drei Flaschenlämmer aufgewärmt. Zum Glück war ich allein und mußte die Flaschen nicht mit Kindern teilen!
Shetlandlämmer sind ja noch eine winzige Stufe höher auf der Niedlichkeitsskala als Shetlandponyfohlen! Vielleicht teilen sie sich auch Platz eins.... sehr, sehr niedlich auf jeden Fall. Wenn man durch Yorkshire und Schottland nach Shetland fährt, ist man dran gewöhnt, das Schafe mit ihren Lämmern auf der Straße liegen oder am Rand grasen. Daß das hier oben Shetlandschafe sind, finde ich immer noch erstaunlich. Und diese winzigen, flitzigen Lämmer überall sind der Knaller!
Die meisten Hillbreeds machen etwas, was sich "hefting" nennt. Die sind quasi an ihr Territorium "angeheftet". Dort sind sie geboren, dort bleiben sie. Kauft man eine Farm, so kauft man die Schafe mit. Veränderungen bewirkt man nicht durch das Ersetzen der ganzen Herde sondern über Generationen durch die Auswahl des Zuchtbocks.
Farmer kommen und gehen aber "die Farm" ist eine Entität für sich. Deshalb wurde zum Beispiel im Lake District bei der Tup Fair der Champion-Bock mit dem Namen der Farm genannt. Der Züchter wurde auch erwähnt....
Auf den Western Isles und hier im Norden gibt es eigentlich kaum Farmen sondern "Crofts". Ich dachte ja erst, "Croft" wäre eine lokale Bezeichnung für ein Cottage - ein altes Häuschen. Aber Croft ist das Land. Das bearbeitete Land rund um das Haus (ob das ein Cottage oder ein Bungalow oder ein Wohnwagen ist, ist völlig schnurrps) und die Rechte an der Allmende, die mit dem Croft einhergehen. Crofts sind oft Nebenerwerbslandwirtschaften. Bzw. hat man dort sein Essen "gemacht". Geld kam aus anderen Quellen. Hier in Shetland meist aus der Fischerei und auch durch Strickwaren. Einige Crofter haben Spinnräder hergestellt, Tammie Isbistor baut Boote und ist Fiddle Maker. (Eine seiner Fiddles habe ich auf der Session in Lerwick gesehen - eine Spezialanfertigung mit Katzenkopf.)
Mary und Tammie hatten früher auch CheviotXShetland Kreuzungsschafe, mittlerweile aber nur noch reine Shetlander. Am Liebsten vom alten Typ, wie er sich vor allem auf der Insel Foula gehalten hat. Schafe, die sie von Foula geholt haben, sind in ihrer neuen Heimat immer gleich an die Westküste gelaufen und haben Richtung Foula geguckt. In der Ecke sind sie dann geblieben. Vielleicht haben Schafe also auch einen inneren Kompass? Shetland-Gänse auf einer anderen Insel anzusiedeln, hat dagegen nicht geklappt. Die kamen immer wieder zurück.
 
Mittlerweile ist Shetland ja vor allem "modern" und die Leute haben ganz normale Vollzeitjobs. Die Crofts werden trotzdem von den jüngeren Generationen bewirtschaftet. Man baut jetzt keine Gerste mehr an oder macht Heu aber die meisten haben einen Kartoffelacker und ein paar Schafe. Ich hab mir sagen lassen, daß das durchaus lohnt, weil die Shetlandschafe eben so "wartungsarm" sind. Wer hier zuzieht und eben kein Feierabendschäfer sein möchte, sondern einfach nur ein Haus mieten, der kann das natürlich machen. Bei registrierten Crofts hat die Crofting Commission mitzureden - da muß man dann eventuell "de-croften".  Je weniger Leute allerdings Schafe auf dem Berg haben, desto schwieriger wird das Zusammentreiben. Wartungsarm heißt ja nicht wartungsfrei und ein paar mal im Jahr müssen die Schafe auf der Allmende zusammengetrieben werden. Dazu braucht man Leute und Hunde.
Früher machte man das wohl auch als Gruppe, damit sich niemand an fremden Schafen bereichert. Das war wohl üblich und ist vielleicht einer der Gründe, warum Hunde in Shetland einen ganz anderen Stellenwert haben. Ohne Schafe durfte man "ganz früher" keinen Hund haben und wenn man mit Hund über eine fremde Weide gehen wollte, brauchte man zwei angesehene Bürger als Zeugen. Ansonsten mußte man eine Strafe zahlen und der Hund wurde gehängt! Das war im 17. Jh. Heute passiert einem das nicht. Ich hab gefragt!
Zum Thema Hunde: Der Shetland Sheepdog hat mit Shetland so wenig zu tun wie er ein Sheepdog ist. Es gab mal eine alte Hunderasse hier. Der Beschreibung nach eher vom Typ Islandspitz. In erster Linie ein Hofhund, der die Tiere vom guten Land rund um das Haus weggehalten hat.
Im 19. Jh wollten die Landbesitzer auch hier die "großen" profitablen Rassen einführen und mit den Schafen kamen Schäfer und Hunde aus Schottland. Der Border Collie hat den alten Schlag Hunde auf den Inseln sehr schnell verdrängt. Es gab eine Zeit lang einen "Shetland Collie", der vielleicht (vielleicht auch nicht) eine Mischform aus Border Collie und Shetland Hunden war. Die gibt es auch nicht mehr aber auf der Straße wurde meine Swift neulich als "bonnie Shetland Collie" bezeichnet!
Es gab Bemühungen, die alten Hunde als Rasse zu etablieren aber auf dem Festland entstannt unter dem Namen Shetland Sheepdog schnell ein Kunstprodukt in der Optik eines "mini-Lassie-Collies". Heutzutage gibt es die alten Shetlandhunde nur noch in der Erinnerung ("Meine Oma hat immer geschwärmt von dem Hund, den sie als Kind hatte! Das war die alte Rasse. Sowas gibt es heute gar nicht mehr!")
Ich hab ein tolles Buch über Shetland Breeds gekauft (indem auch des öfteren Tammie Isbister zitiert wird). Hab ich noch gar nicht richtig gelesen aber beim Durchblättern ist mir eine Passage ins Auge gesprungen über das gemeinschaftliche Einsammeln der Schafe, als noch jeder mitgemacht hat. Mensch und Hund:
"... As a result, what dogs lacked in quality was more than made up for in quantity and variety, from quiet working dogs to the small types with curly tails and loud mouths. While noise did not facilitate progress, it certainly enlivened proceedings. It sometimes evoked a variety of spontanious commands to which even the better trained dogs had not been accustomed to and consequently produced little results. Not unnaturally, human as well as canine tempers became frayed. This often resulted in some short, sharp observations on the alleged errors of the over enthusiastic or the ommission of the less interested handlers, which where usually responded to with equal gusto." (Aus "Shetland Breeds, 'little animals... very full of spirit': Ancient endangered and adaptable, Andro Linklater [et.al.] Nancy Kohlberg and Phillip Kopper, editors")



Der weiße Bock ist eher der "modernere" Typ Shetlandschaf, der braune ist aus Foula-Abstammung.

Der Puter gehört eigentlich nicht zu den Shetlandrassen aber das Hühnerhaus im Hintergrund ist sehr typisch. Alte Boote kann man immer noch zu irgendwas brauchen und so schnell hat man sonst kein Dach gebaut!





Wettervorhersage in Shetland: Change

Sonntag, 21. Juni 2015

Hast Du auch abgeschlossen?

In Shetland muß man sein Haus nicht abschließen. Auf 'ner Insel ist klauen sinnlos. Man wir eh mit dem Zeug gesehen, alle wissen alles und "heimlich wegbringen" ist auch schwierig. Ich hab das auch auf irgend'nem Blog gelesen, bevor ich kam.
Bei meinem kleinen Ferienhäuschen, das ich für 'ne Woche habe, war ich trotzdem unsicher. Ist ja nicht mein Haus - kann ich ja nicht einfach offen lassen ..... Also dachte ich, ich schließe besser ab.....
Das Häuschen wurde vor 20 Jahren renoviert und seitdem steckt der Schlüssel von innen. Festgerostet!
Den Shetlandern ist scheinbar auch sehr wichtig, daß man nicht abschließt! Das ist symbolisch für die Art Gemeinschaft, die man hier hat und es wird oft erwähnt. Wenn man als Zugezogener einen richtig schlechten Start haben will, dann sollte man gleich am ersten Tag sein Haus abschließen!
Ein offenes Haus ist auch nicht nur ein Symbol des Vertrauens sondern tatsächlich ein offenes Haus. Eine Forscherin aus Schottland sagte so bezeichnend:" Ich schließe jetzt mein Haus nicht mehr ab. Aber ich mach die Badezimmertür zu!"

Samstag, 20. Juni 2015

Bilder von Shetlandschafen

Ich nutz einfach mal die Gelegenheit und zeige ein paar Bilder von Shetlandschafen.
Die Schafe gehören Jenny Holden in Cumbria, Anne Lacey in Yorkshire, Fransje Samson in Northumberland, Anke (Nachnamen vergessen!) in den Scottish Borders, mir unbekannten Croftern in Shetland, Maurice Laurenson und Bobby Poleson in Northmavine, Shetland.
Das sind keine postkartenfähigen Bilder und ich habe meist die besonders "zerfledderten" Schafe fotografiert. Wie einige alte Rassen werfen Shetlandschafe ihre Wolle ab und ich fand es interessant, wie unterschiedlich die dadrunter zum Vorschein kommen. Von nackig bis "fast perfektes Show-fleece!"






Shetland Schaf
















Mittwoch, 17. Juni 2015

Shetlandwolle

Wenn man hier als Reisender in Sachen Schaf unterwegs ist, erntet man erstmal erstaunte Blicke. Die sind doch überall! Mag ja auf den fetten Küstenweiden auch Herden mit Cheviotmixen geben aber wenn man Shetlandschafe sucht: Da! Und da! Und da!
Die Shetlander zelebrieren sehr gerne ihre Wikingervergangenheit (zumindest nehmen sie ihren "Karneval" mindestens so ernst wie die Kölner. Nur, daß man sich hier im finsteren Januar als Wikinger verkleidet, mit Fackeln durch die Stadt zieht und eine riesiges Wikingerschiff verbrennt. Das Ganze ist hoch organisiert mit Squads, in die man quasi hineingeboren sein muß und einem "Karnevalsprinzen" - dem Guizer Jarl.) Das Winterfest Up-Helly-Aah ist nicht wirklich eine alte Wikingertradition aber wer gucken mag: Im Internet gibt es recht coole Bilder!
Im Museum bekommt man etwas fundiertere Wikingergeschichte geboten aber unter all den Wikingerinfos und Textilinfos sucht man vergeblich nach einem kleinen Hinweis auf die Schafe. Schade aber auch....
Die Frage, wie es kommt, daß Shetlander ihre Wolle nicht ans woolmarketing board verkaufen müssen wie jeder andere Brite mit mehr als vier Schafen, konnte man mir auch im Textilmuseum nicht beantworten. "Vielleicht, weil man in Shetland so weit ab vom Schuß ist?" 
Der Tipp, doch mal bei Jamieson & Smith zu fragen war großartig. Jamieson & Smith sind "Woolbroker" - "Wollhändler" in Lerwick.


Die Antwort dort war zwar nicht mit historischen Fakten unterlegt sondern einfach "eeeehhh....weil das schon immer so war?" aber nachdem die nette Verkäuferin mich an Jan (weiblich)  im Woll-Lager verwiesen hat, hatte ich einen tollen Nachmittag inmitten der ersten Haufen Rohwolle des Jahres!



Jan züchet selber Shetlander - auf Basis der Herde ihres Großvaters. Dessen Ausgabe der Regularien der flock book society hat sie mir nicht nur gezeigt sondern auch kopiert und wir haben wunderbar geschwätzt über Schafe und welche Sorte Hörner die Bocke haben sollten und die verschiedenen Vliesqualitäten, über die wollverrückten Japaner, über Prince Charles, der mal ein Stück Strickspitze hoch gelobt hat, das sie mit 12 gestrickt hatte, über Großvaters Schafe und alte "Schäfertricks" (wenn ein Schaf die Ohren nicht oben haben kann, dann kann es auch nicht springen! Also: Ohren unterm Kinn zusammennähen bei Zaunspringern).... zu allen Wollthemen gab es Anschaungsmaterial direkt vor Ort. Das "altmodische" Vlies von Bock Martin (dear Martin), der leider mit 13 verstorben ist, in dem man alle Vliesqualitäten vereint findet. (Bei Jamieson & Smith wird weiße Wolle in fünf Qualitäten unterschieden, farbige in drei. Nicht, weil es da nicht die gleichen Qualitäten gibt sondern nur, weil die farbige Wolle seltener ist und man mangels Masse mehrere Gruppen zusammenfassen muß zur Verarbeitung). Ich weiß jetzt, wie man Vliese auf Shetland rollt, wie man einige der vielen Shetlandschaffarben ausspricht, daß man - wenn man schon tausend alte Namen für die Farben hat (Katmoget, Gulmoget, Emsket,...) - die Altersgruppen "Gimmers", "Hoggs" und "Shearlings" einfach als "Yierlds" zusammenfassen kann (=year old) und ich habe fasziniert zugehört, wie einige Crofter mit Jan in heftigem Shetland-Dialekt gesprochen haben....

Shetland-Schaf-Farben

Die "Wollpresse"

weiße Vliese - was hier so hübsch grau aussieht, sind "Torf-Brösel"; die verändern das Haar und damit die Färbe-Eigenschaften der Wolle 

Handspinnerqualität

Der Laden. Shetlandwolle in allen Farben!

und für uns eine schöne warme Shetland-Decke!

Dienstag, 16. Juni 2015

Puffins!!!!

Was ich immer schon mal sehen wollte: Puffins! Und Seehunde und Delfine und Wale. Und Wikingerschafe. Aber vor allem Puffins.
Vor vielen, vielen Jahren in Irland hab ich schon gehofft, mal welche zu sehen. Letztes Jahr habe ich ständig in Shetlands Live-Puffin-Cam reingeschaut und keinen Puffin gesehen.
Ich hätt in Irland auch gerne Seehunde gesehen. War auch nix. Dafür hab ich damals Fungi gesehen. Den zahmen Delfin in der Bucht von Dingle!
Seehunde habe ich am Calf of Man gesehen - und gehört. Lustige Geräusche!
Auf der Fähre von Orkney nach Shetland wurden mir Orcas fast garantiert. Nur ist das bei der Nachtfähre so 'ne Sache. Es wird hier zwar nicht wirklich dunkel (hier heißt das "summer dim") aber nachts, übermüdet, im "summer dim" und bei wirklich schueßlichem Wetter auf's Meer starren in der Hoffnung, daß die Orcas auch nicht schlafen können: Das wollte ich dann doch nicht.
Heute habe ich diverse Klippen angestarrt und mich gefragt, wie man die ganzen Seevögel auf die Entfernung unterscheiden soll.... kauf ich mir ein Fernglas? Ohne Fernglas hab ich das mit den Puffins fast aufgegeben.
Am Leuchtturm von Sumburgh Head ist ein Vogelschutzgebiet und da bin ich so rumgestromert, hab mir das mit dem Fernglas nochmal überlegt (ob die auf Foula vielleicht eins für mich haben?) und hab über 'ne Mauer geguckt: PUFFINS! Touristengewöhnte, tiefenentspannte kleine Papageientaucher. Ganz nah! Die sind "in Echt" noch viele tausend Male drolliger als auf Bildern! Wie kleine Pinguine mit Pappnase! So genial!

Flugfotos habe ich natürlich nicht hinbekommen aber im Landeanflug sehen die aus, als würden kleine Clowns rücklings die Klippe runterstürzen! Deshalb gibt es die Bilder obwohl sie unscharf sind! Der Naturfotograf mit seinem Naturfotografentarnobjektiv hat das bestimmt mit richtigem Fokus hinbekommen....... Der ist aber vor allem in der Collage gelandet, damit man eine Idee davon bekommt, wie nah die Vögel sind und wie viele Leute da rumlaufen. Da kennen se nix, die Puffins von Sumburgh Head!

Montag, 15. Juni 2015

Wollreisen

Ich hab's ja schon geschrieben: Shetland hat eine "reiche" Textilvergangenheit. Die hatte so ihre Hochs und Tiefs aber ist nie ausgestorben. Heutzutage ist das eine der Touristenattraktionen.
Wolle und Spinnen und Stricken und Weben hatte ja in den 80iger Jahre schon mal ein Revival aber während es damals gar nicht "ökig" genug sein konnte (mit Wolle ganz bestimmt von Nachbars Schafen - nachzuweisen durch die Kratzigkeit der Pullover und den "Resten" in der Wolle) ist das heutzutage anders. Dank myboshi sind selbstgehäkelte Mützen auch längst bei den Hippstern angekommen. Wer tiefer in die Materie einsteigt, landet früher oder später bei Ravelry. Das ist eine Internetseite, auf der sich Wollverrückte jeglicher Coleur finden. Jeder kann dort seine Strick- und Häkelanleitungen zur Verfügung stellen. Umsonst oder gegen Bezahlung. Man kann sich in Foren austauschen und findet ohne Ende Anregungen und Antworten auf Fragen. Ganz "typisch Internet" wird hier Wissen sehr freimütig geteilt. Wobei "umsonst" und "gegen Bezahlung" hier gar nicht in Konkurrenz stehen. Zumindest ist das mein Eindruck.
Dank Internet muß man auch nicht Nachbars Schafswolle verspinnen sondern kann sich Rohwolle vom Polwarth aus Neuseeland schicken lassen oder auch das, was hier "glittery merino" genannt wird: Aufbereitete Spinnwolle in tollen Färbungen und mit allen möglichen Zusätzen (oft glitzernd).
Man kann aber auch Nachbars Schafwolle verspinnen und heutzutage geht man da etwas anders ran. "Horses for courses" - die eine Wolle ist super zum Filzen, die andere für Teppiche und die nächste für Socken und Pullover. "Die Spinnerten" tauschen sich im Internet aus und probieren aus, was geht und was nicht. Der ein oder andere bekommt Spaß am Färben und auf der Suche nach "Projekten" für die vielen verschieden gefärbten Garne landet man dann vielleicht bei Ravelry in der Kategorie "Fair Isle".... Vermutlich geht es vielen anderen auch so wie mir: Ich hab das ausprobiert und fand das Ergebnis super. Wie allerdings die Strickerinnen hier in Shetland sooo produktiv sein konnten, ist mir ein Rätsel! Anderen fällt das vermutlich leicht und die denken sich dann selber neue Sachen aus und sind schnell so begeistert, wie ich fasziniert bin. Das Resultat ist oft das gleiche: Man muß mal nach Shetland und sich angucken, wo das herkommt!
über der Lehne eine Fair Isle Decke in Naturfarben. Design Kathie Davis

Kurz bevor ich losgefahren bin, wurde ich auf den Blog von Connie aufmerksam gemacht, die eine Reise in Sachen "Strick und Wolle" geplant hatte. Auf www.wockensolle.de kann man ihren tollen Reisebericht von Orkney und Shetland lesen.
Die meisten meiner Internetkontakte werden ja irgendwann zu ganz echten ....äääähh... "analogen" Begegnungen und auch wenn ich Connie nicht persönlich kenne, habe ich am ersten Tag in Shetland einen Zeitschriftenartikel über die "textile journey" gefunden, an der sie auf Shetland teilgenommen hat.
Die Zeitschrift ist ganz herrlich provinziell und der Artikel richtet sich eigentlich nur an Shetlander, die vielleicht ein Anlaufpunkt für solche Touren sein könnten aber ein Exemplar wird demnächst auf Reise nach Deutschland gehen. Inklusive der durchgedrückten Unterschriften diverser Shetlander und Besucher, die auf dem Zeitschriftenstapel ihre Bons unterschrieben haben....

Sonntag, 14. Juni 2015

Gleich nochmal: Musik...

öffnet Türen. Sagt man doch so, oder? Hier nebenan ist der Boating Club in Lerwick, Shetland. Mit Session! Ohne Musik hätte ich da sicher keinen Abend verbracht.


Neben den Musikern fanden sich dort auch die Schauspieler einer shetlandischen Krimi-Serie ein, um in Piratenkostümen einen drehfreien Tag zu feiern. 
Was die Musiker dann ins Obergeschoß vertrieben hat. Das Obergeschoß im Boating Club ist mit der großen Glasfront zum Wasser eine ziemlich klasse "location" zum Musik machen!

Dort hab ich meinen ersten Shetland Tune mitgespielt. Einen Waltzer, den ich Mittwoch aufgenommen hatte und am Tombolo (so eine "Strandzunge") nach St Ninian's Isle geübt habe.

Es stellte sich dann heraus, daß der Tune gar nicht shetlandisch ist. Aly Bain - einer der bekanntesten Fiddler Shetlands - hat ihn in Kentucky gelernt und dann seinem Freund in England ganz begeistert vorgespielt. Wie sich herausstellte, hat dieser Freund den Tune geschrieben.
Wie Tunes "reisen" finde ich ja immer wieder faszinierend!
Ich wurde natürlich wieder höflich aufgefordert, "was irisches" zu spielen. Und dann "was deutsches". Kann ich gar nix! Außer Kinderlieder (ein Besucher aus  Schottland hatte am Mittwoch "mein Hut der hat drei Ecken" auf Border Pipes gespielt.... aber das wollte ich nicht wiederholen.) Weil ich keinen deutschen Tune hatte, hat man mir einen gegeben! Tommy, der unglaublich virtuos Mundharmonika spielt, hatte einen für mich. Hat sein Vater 1926 in Bremerhaven gelernt...
Am Mittwoch in der Lounge Bar gab es mal eine kleine Verwirrung. Ich hab nen Tune angefangen und einer der Fiddler hat sich verhört und einen anderen Tune "mitgespielt"...War ein kurzes durcheinander mit viel Barlärm im Hintergrund und wurde schnell abgebrochen.
Der gleiche Fiddler hat also im Boating Club als erstes diesen Tune angefangen, den er sich als "kennt sie" gemerkt hatte. Sehr nett und ich war froh, daß ich diesen "verhörten" Tune auch kannte!

Wenn man mit so Seebären Musik macht, trifft man auch Leute, die nach ihrer wissenschaftlichen Karriere auf einem Boot leben....Segeln und Fiddeln. Die Winter verbringt man dann zum Beispiel in Shetland. Wär jetzt nicht das erste Winterquartier, an das ich denken würde aber "in Island sind die Leute so depressiv!" Jau! An Island hätte ich natürlich als allererstes denken müssen!
Aber ich weiß jetzt, daß sich die Leute in Island im Winter in ihre Häuser verkriechen und lange, melodramatische Gedichte schreiben oder alternativ abgefahren schräge Skulpturen erstellen. Wogegen "der Shetlander an sich" im Winter einfach feiert!

Samstag, 13. Juni 2015

Musik in Shetland

Ich bin ja am ersten Abend doch wieder nach Lerwick - weil Mittwoch war und weil Mittwoch abend Session ist in der Lounge Bar - und das war keine "Alleinunterhalter mit Keyboard" Session sondern richtig klasse! Mit Piano und ein paar klasse Fiddles: Schöööön!

Der Einstieg in eine fremde Session ist ja immer spannend. Wenn man gleich fragt, ob man mitspielen darf und dann sitzt man da zwischen den Genies und kann nur staunen: Ist irgendwie blöd. Erst recht, wenn man früh da war und im inneren Kreis sitzt, wärend hinter einem die Cracks spielen.
Eine fremde Session ist auch spannend, weil da viel Zwischenmenschliches durchscheint in den Tunes. Wer fängt wie oft an? Sind die anderen genervt von ihm/ihr/ den Tunes? Wer kann wen gut leiden oder ist hoch angesehen? Sowas.

Wenn man lange vor der Session mit den Musikern ins Gespräch kommt, ist das super. Dann kann man beiläufig erwähnen, daß man auch was spielt und wird dann aufgefordert, was anzufangen. "Dann haben sie es ja nicht anders gewollt"! Last einen irgendwie entspannter spielen....

Kommt man aber in die Kneipe, wenn die Session schon läuft (oder kommen die Musiker rein und fangen gleich an), dann haben die wenigsten Musiker Lust, ihr Instrument beiseite zu legen, um ein Schwätzchen zu halten.
Flute ist da auch ein ungünstiges Instrument. Die verschwindet unauffällig im Rucksack... Ich brauch 'nen Geigenkoffer, in den Flute und Kamera passen!
Man kann aber auch weniger Aufhebens machen und einfach fragen!

Da die meisten Menschen höflich sind, bekommt man eigentlich immer ein Kompliment. Das geht von "that's a nice flute you are playing" (=furchtbar aber die Flöte sieht ganz gut aus) über "nice selection of tunes " (=hast 'nen guten Geschmack, mußt nur noch spielen lernen) bis zu Einladungen zu privaten Sessions. Hat ich alles schon.
Jede Session hat auch im Laufe ihrer Zeit mindestens einen Wunderling. (In Dresden haben wir keinen mehr. Oder?) In Lerwick war das ein älterer Mann, barfuß (bei den Füßten kräuselten sich nicht nur mir die Zehennägel sondern auch ihm!) der ziemlih grandios traditionell und klassisch gefiddelt /gegeigt hat. Aber nicht für oder mit den anderen Musikern sondern für ein Publikum. Das ist auf einer Session sehr seltsam. Eigentlich spielt man da für die anderen Musiker und für den Kick den es gibt, wenn man da gemeinsam "in einen Groove fällt". (Wenn Gäste da sind denen das gefällt, ist das ein Bonus!)
Unglaublich schön, wenn man diesen gemeinsamen Groove mit völlig fremden Menschen am anderen Ende der Welt hat. Unübertrefflich allerdings, wenn man mit den Freunden in der Schmiede in Altkötzschenbroda spielt und so nen ganz besonderen "musikalischen Moment" hat!

Weil man für und miteinander spielt - und weil man 'nen Platz braucht für die Biergläser - spielt man meist im Kreis um einen Tisch. So auch in der Lounge Bar.
Nur der schrullige Typ sitzt mit dem Rücken zu den anderen Musikern und würde gerne von den Gästen gefeiert werden! Sehr bizarr! Die Shetlander sind da furchtbar nett und sehen darüber hinweg. Kein Augenrollen, nix! Nur einmal ein "Schnell! fang was an!" Bevor er wieder was anfängt.
Ich hatte an dem Abend vor allem eine bildhübsche Flute in der Hand (und am Ende in paar tolle Tunes "auf Band" zum Lernen)
Da die Shetlander so höflich sind, blieb die Schönheit des Instruments unerwähnt und ich wurde zu einer weiteren Session eingeladen!

Freitag, 12. Juni 2015

Shetland #1

Mein erster Eindruck von Shetland: Öööööhhmm. Ne! Vielleicht, weil so viele Leute gesagt haben, daß es mir gefallen wird... Vielleicht hat man auch nicht den besten Eindruck, wenn man übermüdet viel zu früh von der Fähre fährt...
Ich hatte vorher die shetlandische "Fiddle und Accordion Society" angeschrieben und mich nach Musik auf Shetland erkundigt. Da hat ich mir auch mehr erhofft als "Frag doch in Lerwick im Musikladen". Die Leute in dem Laden waren so blöd, daß mich dieser erste Eindruck von den Shetlandern fast auf die nächste Fähre zurück gejagt hätte!
Aber ich hab ja ein Date auf Foula .... also bin ich erstmal ins Museum. Draußen gab es eine Installation mit Lautsprechen (mit Shetlandwolle in einem Behälter darüber!) aus denen alle möglichen historischen Aufnahmen kommen. Der Wind steuert, was wo kommt und wie oft das wechselt. 

Das Museum ist ziemlich cool. Und umsonst. Shetland ist ziemlich wohlhabend - vor der Küste gibt es ordentlich Erdöl und die Lokalregierung hat mit den Ölfirmen ausgemacht, einen Anteil pro Barrel zu bekommen (statt einen Batzen vorne weg). Dieses Geld haben sie clever angelegt. Zugunsten der Bevölkerung. Altersheime, Schwimmbäder, günstige Fähren zu den Inseln, öffentliche Duschen für 2 Pfund und eben ein sehr gutes kostenloses Museum. Der Rezeptionstisch ist aus dem Kiel eines Schiffes gemacht, das Elenore (?) von Vlotoh hieß. Bzw. wude es auf dem Schild "von Flotow" geschrieben aber so wie die Museumsfrau erzählt hat bin ich sicher, daß es "Vlotoh" ist...
Es gibt auf Shetland auch ein "Bremen Böd". Ein Böd ist eine Bude - ein kleines Haus und ein paar Cleverles aus Bremen haben mit Shetland Handel getrieben. An der Hanse vorbei, die von ihrem Stützpunkt in Bergen aus die gleichen Waren ge- und verkauft hat. (Vor allem Trockenfisch!) Ich glaub, das war ein sehr riskantes Unternehmen. Mit der Hanse hat man sich wohl besser nicht angelegt! Bremen Böd steht auf jeden Fall auf meiner Liste.
Am Rand von Lerwick gibt es noch ein Museum in einem Böd. Mitten im Industriegbiet steht so ein kleines, altes Häuschen und das beherbegt das Textilmuseum. In Shetland hatte man lange Zeit sein Geld neben Fisch mit Strick- und Webwaren gemacht. Die Weberei ging irgendwann unter aber die typischen mehrfarbigen Fair Isle Stricksachen waren lange in Mode. Der englische Adel trug unter der Jacke aus  Harris Tweed eine Pullover oder auch Pullunder (was in Ostdeutschland "Westover" sind) in "Fair Isle", die Strickspitze war heiß begehrt und so haben die Frauen hier gestrickt wie die Weltmeister und damit einen guten Teil des Familieneinkommens gesichert. Das hat sich ziemlich lange gehalten, auch in moderneren Zeiten. Da wurden dann die Pullis mit der Maschine gestrickt und die Handstrickerinnen haben fabige Schulterteile geliefert. Für Pullis in dem Stil, der bei uns als "Norweger" Pullover bekannt war. Ich denk da ja immer an Dieter Krebs mit seinem Hit "Ich bin der Martin, ne" (hieß doch so, oder? Damit ist er bei Disco, Disco aufgetreten und hatte so 'nen Pulli an. Das war aber eher die dicke, "originale" isländische Version dieser Pullover. Daß es wirklich Disco, Disco war kann ich nicht beschwören aber an den Pulli erinnere ich mich gut!)



Heute macht man in Shetland wieder Geld mit Strickwaren. Die Wolle wird in alle Welt verkauft, David Beckham schläft in einem Bett aus Shetlandwolle und Prinz Charles hat so eins mal öffentlich angezündet. (Prinz Charles ist der Schirmherr der "Campaign for Wool" und außer dem Wollbett - brennt nicht - hat er noch eins aus Kunstfaser angezündet - brennt guuuuut! Ist ein bißchen wie ein Staubsaugervertreter, der einem erstmal Asche in den Teppich reibt....)
Es kommen auch viele Touristen wegen der Strickerei nach Shetland. Viele Amerikaner und vor allem Japaner! In Japan ist Stricken wohl total hipp und Fair Isle ganz besonders. Ich hab schon mehrere Shetlandschaf-Züchter getroffen, die besonders schöne Vliese direkt vom Schaf zu einem sehr guten Preis nach Japan schicken! In Shetland kann man auch Textil-Design studieren und da dreht sich fast alles um Wolle!
Die Leute in beiden Museen waren furchtbar nett aber das hat mich nicht davon überzeugt, daß "normale" Shetlander auch nett sein können. Ich bin dann nach Trondra gefahren (diese Namen! Trondra ist eine kleine Insel im Westen. Mit Brücke) und habe festgestellt, daß das hier kein Campervan-Territorium ist. Im Museum hatte ich gelernt, daß es hier ziemlich lange gar keine Straßen gab. Man hatte seine Farm und sein Boot - wenn man mal woanders hin mußte. Dementsprechend sind die Straßen sehr "zielgerichtet". Die verbinden aktuelle Siedlungen. Nix mit alten Straßen, die ins Nichts führen oder an einsame Buchten oder irgendwohin, wo kein Haus steht.
Was mich hier echt erstaunt und was vermutlich niemand außer mir seltsam findet: Hier sind überall Shetland Schafe! Ich hab ja mittlerweile so einen "Wikingerschafscanblick" und auf den Hebriden mußte man da echt aufmerksam sein. Hier springt mein innerer Alarm ständig an! Unglaublich!
Schafe in katmoget und gulmoget und shaela und moorit und sokket "all over the place"! Einige große Herden ChevioXShetland gibt es auch (meist mit Suffolk cross Lämmern) - die hiesige Variante der Schafspyramide - und so im Vorbeifahren bin ich mir nicht sicher, ob ich weiße Shetlander von Cheviot-Shetland-Mixen unterscheiden kann aber die Menge der identifizierten Shetlander ist grandios!
Weil ich so spontan keinen netten Parkplatz für die Nacht gefunden habe bin ich dann doch wieder nach Lerwick gefahren und in die Kneipe gegangen, in der es angeblich Musik geben soll. Bestimmt so ein Alleinunterhalter mit Keyboard. So war das in Irland immer, wenn groß "traditionelle Musik" angekündigt wurde! 

Lerwick wirkt eher nordisch oder auch niederländisch als schottisch und das, was ich bisher vom Mainland gesehen habe, wirkt sehr fruchtbar und "grün".
Angeblich ist das der schlimmste Sommer, den sie hier seit langem hatten. Mich hat erstaunt, daß man schon von "Sommer" redet und nicht noch auf den Frühling wartet!