Donnerstag, 22. Februar 2018

Männer, die auf Kühen reiten - Museum für Haustierkunde "Julius Kühn"

Das Erste, was einem auffällt, wenn man das Museum für Haustierkunde "Julius Kühn" betritt, ist eine große Tafel mit alten Fotos von Nutztieren.
Pferde, Schafe, Ziegen und Schweine, die dem Fotografen stolz präsentiert wurden.
Und Kühe! Kleine Männer mit gewaltigen Schnurrbärten, die stolz (und ganz selbstverständlich) auf Kühen reiten!

Das Nächste, was einem auffällt, sind die Skelette... wie das von Wotan! Einem beeidruckenden Eber. Rasse habe ich vergessen.

Wotan
Der Ursprung der Sammlung geht auf den früheren "Haustiergarten" der Landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg zurück.

Untergebracht ist sie in den ehemaligen Stallungen

Museum für Haustierkunde Julius Kühn
Dieser Haustiergarten diente als Versuchsstation und bot mit seinen bis zu 1000 Tieren auch Anschauungsmaterial für die Studenten. Hier wurden diverse Zuchtversuche durchgeführt. So zum Beispiel Kreuzungen zwischen Wildtieren und Haustieren (Wildpferd-Hauspferd, Wolf-Hund, ...)

Julius Kühn, der Gründer des Instituts und des Haustiergartens, war besonders angetan von Schafen. Klasse!
Unter den Schafen waren es vor allem die Karakul, mit denen er sich beschäftigt hat. Von einem Pelzhändler hat er sich Tiere mitbringen lassen aus Usbekistan. Etwa zeitgleich wurden Karakul-Schafe auch nach Namibia gebracht - mit dem Ziel, eine Pelzindustrie in der Kolonie aufzubauen.

Aus Karakul-Schafen werden "Persianer-Pelze" gemacht. Fieserweise werden die Lämmer nur wenige Tage alt - dann ist ihr Pelz am Schönsten.
"Bessere Pelze" zu produzieren, war ein Fokus von Julius Kühn. In der Sammlung gibt es zum Beispiel auch Modelle (aus Draht), die die verschiedenen Typen von Pelzen zeigen. Also "wie die Locken am Lamm liegen".

Modelle für Karakul-Pelze
Karakulschafe sind auch farbgenetisch sehr interessant. (Für sie werden am E-Locus -Allele postuliert, die man bei anderen Schafen noch nicht beobachtet hat.) Wegen der begehrten Pelze wurden Karakulschafe auch oft in andere Rassen eingekreuzt. Zumindest versuchsweise.

Ein Fettsteißschaf, bei dem man den fetten Steiß gar nicht sieht....
Was die Pelze angeht, schien das übliche Schwarz durchaus beliebt. Es gibt (seltener) aber auch braune Karakuls und alle möglichen Schattierungen. Ganz exklusiv: Grau! Als Farbe erwachsener Schafe ist das nicht selten aber fast alle dieser Schafe werden schwarz geboren. 
Grau bei Geburt ist extrem selten. Und sehr schwierig zu züchten. Das Gen dahinter ist nämlich "lethal roan". In der homozgoten Form lethal. Was bei einer Pelznutzung nach wenigen Tagen eher unerheblich ist. Um zukünftige Zuchttiere zu bekommen, die dieses Allel vererben, braucht man heterozygote Tiere.  

Farbgenetik Karakul
Persianer-Mäntel - Karakul in schwarz und braun

Bei Thema "Pelz, Wolle, Fasern" sind mir auch diese Bilder ins Auge gesprungen: Merino-Stoffwollschaf, Merino-Tuchwollschaf und Merino-Kammwollschaf!


Für jeden Zweck das passende Merino
Zum Glück kam zur Zeit des Haustiergartens auch die Fotografie auf und zum Glück war Julius Kühn davon sehr angetan! Dem Verdanken wir eine umfassende Fotodokumentation der Tiere. So zum Beispiel ein Pommernschaf aus dem Jahr 1920:

Pommernschaf 1920
Es gibt aber auch Bilder von Hampshire, Shropsire, Lincoln, Zackel, Heidschnucke und... tada: Skudde!
Ich hab mit allem möglichen gerechnet (Die Kuratorin hatte mich ja vorgewarnt, daß die Skudden dort ganz anders wären - schließlich lägen da 100 Jahre zuchtgeschichte dazwischen) aber das hier???

Skudde???
Hätte da Milchschaf drunter gestanden, hätte ich das sofort geglaubt! Ungehörnter Bock, scheinbar keine Mischwolle und nicht gerade klein!

Meine ganz persönlich Theorie zu diesem Tier ist ja, daß damals in Masuren/Ostpreußen alle möglichen ollen Landschafe einfach "Skudde" genannt wurden.... 
Im Flyer zur Skudde des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie heißt es, daß es zwischen 1920 und 1927 Versuche gab, die Skudde durch Einkreuzung von Intensivrassen zu verbessern. Das paßt nicht ganz zu dem Bild- der hornlose Bock ist von 1919. Trotzdem könnte er auch ein Tier aus solchen "Verbesserungsversuchen sein".  In dem Flyer gibt es auch eine Beschreibung des ursprünglichen Typs aus dem Jahr 1927. (Leider ohne Quellenangabe.) "Die Skudde ist ein kleines Schaf mit feinen Knochen, einem keilförmigen Kopf, beide Geschlechter tragen Hörner. [...] Die Haut ist pigmentiert und zwar besonders stark an Kopf, Beinen und Bauch, es treten auch Schecken auf. Das Vlies ist mischwollig und die Farbe weiß bis grau."

Bei den unbeschrifteten Bildern gab es eins, das viel besser zu dieser Beschreibung passen würde... das könnte aber auch eine weiße Schnucke sein.

Irgendwo anders habe ich gelesen, daß die Gutsherren sehr bemüht waren, dem "kleinen Landmann" seine Schafe auszureden und ihn für modernere Schafe zu begeistern. Was man dann aufgegeben hat. Der "kleine Landmann" fand seine kleinen Schafe nämlich spitze....

Vielleicht ist aber das Ausgangsschaf für unsere Skudden gar nicht unter dem Namen Skudde in der Sammlung. Vielleicht sind die Vorfahren unserer Skudden "masurische Landschafe". Die hatten zumindest Hörner!

Masurisches Landschaf
Manchmal auch ein paar mehr! Gib es bei nordischen ja öfter mal... Manx Loaghtan, Hebrideans aber auch Shetlandschaf und Islandschaf.

Masurisches Landschaf mit vier Hörnern (geb. 1892)
Von wegen Hörner: Da gibt es viele zu sehen... 


Besonders beeindruckt haben mich die vom französischen Merino! Wenn man heute Bilder von gehörnten Merinos sieht, sind die Hörner ganz schön klein. Also durchaus auch mal in der Größe von Skuddenhörnern aber das Schaf darunter ist halt wesentlich größer! Weshalb ich mich gefragt habe, ob Hörner bei Hausschafen in nur einer Größe kommen... one size fits all. Das ist wohl nicht so. DIESE Hörner waren beeindruckend riesig!

französisches Merino

Ganz ohne Hörner: Die Pferde!


Ebenfalls interessant: Die Größe der Tiere! Die kleine (ausgewachsene) Kuh aus dem 2-4 Jh. n. Chr. (Widerristthöhe ein knapper Meter)

So um die 1700 Jahre alt: Skelett einer Kuh

Der ebenfalls winzige Mischling aus Wolf und Schäferhund (kaum größer als ein Border Collie)

Wolf-Schäferhund-Mischling


riesige Schweine und: Ein Argali. Ich weiß ja, daß die groß sind. Aber.... die sind echt groß! Kein Wunder, daß die Chinesen versuchen, die in ihre Schafe einzukreuzen! Als Größenvergleich fiel mir nix besseres ein, als mich daneben zu stellen... Mmmhhh.... Hätte ich mich besser positioniert, hätte ich auch Hörner! 
Also: Ich stehe. Neben dem Argali. Das steht auf ner Platte ähnlich wie der Wolf-Hund-Mischling.

Argali und ich

Und von wegen Fotos: Wer mag, kann sich die Fotoglasplatten der Sammlung angucken. Die sind online. Genau wie einen interessanten kurzen Film über den Haustiergarten und die Sammlung. (Die Bilder sind wirklich lohnenswert! Männer, die auf Kühen reiten!)

1 Kommentar:

  1. nunja, früher war irgendwie alles kleiner, auch die Menschen. Von daher könnten die Relationen so halbwegs wieder passen.
    Ist mal wieder voll interessant!!
    Wenn ich bedenke, wie viele Menschen scheinbar nicht mal wissen, dass es unterschiedliche Rassen in so ziemlich jeder Spezies gibt. Wenn ich auf einem Markt sitze und vor mich hinspinne, wollen die Leute sowas aber auch gar nicht wissen :( Ich habe es aufgegeben, zu versuchen, zu erklären, welches Schaf es ist. Es ist also entweder Schaf, oder was anderes. Auch mein Versuch mit einer Anfass-Übersicht den Leuten auf die Sprünge zu helfen, ist kläglich gescheitert. es wird angetatscht und alle unterschiedlichen Fasern, die unten raushängen sind automatisch die von dem Blatt, das obenauf geschlagen ist. Keiner blättert es durch, um zu sehen, es kommt nicht alles vom Schaf. Und das in einer her ländlichen Gegen. Ist schon traurig.
    Umso interessanter, dass es früher Leute gab, die das so toll dokumentiert haben! ♥

    AntwortenLöschen