Samstag, 1. Oktober 2016

6th North Atlantic Native Sheep and Wool Conference

Diese Konferenz gibt es jährlich seit 6 Jahren. Die Idee war, Leute zusammenzubringen, die unter doch recht ähnlichen Bedingungen “irgendwo” im Nordatlantik Schafe halten und davon - oder von den Produkten - leben. Das sind die Orte, an denen meine “Wikingerschafe” bis in die heutige Zeit überlebt haben. Aus Tradition oder weil “modernere” Schafe dort keine Chance haben.
Meine Reise letztes Jahr hatte ja das Ziel, ein paar dieser Orte zu besuchen. Zu sehen, wo die alten Kurzschwanz Rassen herkommen und wie es ihnen heute geht. Welche Rassen immer noch DIE Nutzschafe der Region sind und wie es die Menschen schaffen, mit ihnen in modernen Zeiten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es war spannend zu sehen, daß einige Eckchen so abgelegen sind, daß die Zeit irgendwie dran vorbeigegangen zu sein scheint. Sturköpfige Menschen (weil nur solche dort durchhalten) haben gemacht, was sie immer gemacht haben. Und jetzt - jetzt ist man dank Internet mitten in der Welt und kann ganz altmodische Produkte nach New York verkaufen.
Andere haben versucht, mit traditioneller Schafshaltung und alten Rassen mit moderneren Märkten mitzuhalten. Was - gelinde gesagt - schwierig ist.
Wieder andere haben das Alleinstellungsmerkmal ihrer Schafe erkannt und sich dafür spezielle, gut zahlende Märkte erschlossen.

“Wie macht Ihr das? Können wir das auch?” Darum geht es bei der Konferenz.
Dieses Jahr war die Konferenz auf den Lofoten. Für mich am Ende der Welt aber doch weitaus einfacher zu erreichen als Färö im letzten Jahr. (Schreibt man das so auf deutsch? Färö? Faroe, Færøy,....?) Dabei war ich in Shetland - gar nicht weit weg aber unerreichbar…. Dieses Jahr mußten wir uns nur ins Auto setzen und nach Norden fahren. Mit ein paar Abstechern auf den ein oder anderen Hof mit alten Schafsrassen.
Es war spannend, mit Leuten aus diesen sehr ähnlichen und doch so verschiedenen Ecken zu reden!
Teilnehmer und Redner kamen aus Norwegen, Island, Shetland, Färö, von den Äußeren Hebriden, der Isle of Man. Orkney und Grönland waren dieses Jahr leider nicht vertreten.
Ich hätte mir mehr Vorträge gewünscht und mehr Tiefe. Zum Glück habe ich einige der Redner zu Hause besucht und hatte da Gelegenheit, viel zu lernen. Während der Konferenz gab es noch viele Gelegenheiten, das zu vertiefen.

Mich interessiert ganz besonders, wie sich die Rassen und ihre Haltung entwickelt haben. Scheinbar war das lange Zeit sehr ähnlich. Über tausende von Jahren! Neunzehnhundertkeks hat man die Nordatlantischen Küstenheide fast überall noch auf gleiche Art bewirtschaftet. Aber es gibt kleine, feine Unterschiede. Vielleicht schon immer, vielleicht erst jetzt. Und die Rassen sind ähnlich - aber doch so verschieden.

Shetlandschafe wurden zu “kleinen Merinos”, genügsam, mit Fokus auf Wolle und sie wurden Teil der cleveren britischen “Schafspyramide”, bei der die Nähe von kargem Bergland zu besseren Weiden optimal genutzt wird. Diese “Nähe” gibt es in Shetland noch gar nicht so lange - heute zum Einen durch die Fähren nach Aberdeen, zum Anderen durch die “Verbesserung” von Weideland in Shetland.


Shetland Schafe, Unst
Islandschafe wurden in den 1980ern in robuste “Fleischschafe” verwandelt. Die eierlegende Wollmilchsau, die perfekt an isländische Bedingungen angepaßt ist.
Aus den alten norwegischen Schafen, die in den 1950ern fast verloren gingen, wurden zwei Schläge: Die alten “Heideschafe”, die das ganze Jahr ohne Zufütterung draußen leben und die (neben den alten Kühen) der Grund für die “Kulturlandschaft Heide” sind ... 


Villsau

Villsau
...und die etwas “moderneren” - die optimal nutzen, daß auch in schneereichen Gebieten - dank Winterfütterung im Stall mit Siloballen - Schafhaltung sinnvoll wurde. Zuverlässig gutes Futter im Winter hat einen Schlag hervorgebracht, der “sich leisten kann”, etwas größer zu werden. Und Stallhaltung ermöglicht eine zweite Schur im Herbst. Da passen mehr Schafe in den Stall. Und die Wolle wurde länger. Mehr Ausbeute, die für die Schafe nicht den Nachteil hat, daß sich riesige Schneebollern bilden, die das Schaf irgendwann am Boden festfrieren lassen. 
Spaelsau, Norwegen
Manx Loaghtans sind leider ganz, ganz kurz davor, eine “Museumsrasse” zu werden. Die Isle of Man ist so fruchtbar, daß es heutzutage kaum einen Grund gibt, sich mit “alten, kleinen” Schafen zu begnügen (obwohl die Manx Loaghtans die größten aus der Gruppe sind). Rinder und “big white sheep” bringen viel bessere Erträge. Und die Isle of Man ist vor allem ein Steuerparadies. Die wenigen Landwirte haben verdammt viel “gutes” Land zur Verfügung. Eine unwirtschaftliche, alte Rasse “braucht” man da nicht….


Manx Loaghtan

Die Schafe der Hebriden haben ein ganz ähnliches Schicksal. Die Hebriden haben viele “Zugezogene” und relativ wenige Landwirte. Die Subventionspolitik der EU hat einige Zeit lang FÜR die alten, kleinen Schafe gearbeitet: Es gab Subventionen pro Kopf Vieh. Von den alten, kleinen Schafen konnte man mehr auf sein Land stellen. Als das geändert wurde in Subventionen pro Fläche “nutzbares” Land, waren die alten Hebrideans verloren. Heute sind sie “Show Sheep” in England und Schottland und als Nutztiere von allem in der Landschaftspflege unterwegs. Wobei der Nutzen eben vor allem darin liegt. Wenn die Herden sich selber tragen, ist das schon gut genug. Ein paar wenige Leute wissen sie noch zu schätzen und zu nutzen. Ich habe verdammt lange nach diesen Leuten suchen müssen und war sehr, sehr froh zu sehen, daß es sie noch gibt!


Hebridean Sheep

North Ronaldsays hatten irgendwie Glück. Da hat sich im 19.Jh. so ein Sesselpupser von Laird überlegt, daß die Deppen von der Insel keine Ahnung haben und er ihnen mal was erklären muß. Nämlich, wie moderne Landwirtschaft geht. Dabei waren die Schafe im Weg. Das geht besser. Also wurde eine Mauer um die Insel gebaut. Drinnen fand statt, was damals modernste Landwirtschaft war, draußen konnten die kleinen Schafe sehen, wo sie bleiben. Kaum Grass, viel Seetang. Man liest immer mal, daß wir alte Nutztierrassen erhalten sollten, weil sie ein Speicher für genetische Vielfalt sind. Es gibt kein besseres Argument dafür, als die North Ronaldsay Schafe. Es gibt sie seit 3000 Jahren. Auf einer winzigen Insel. Populationsgröße (heute) 2500 Tiere. Aber in all der Zeit vor allem unter natürlicher Selektion. Sie waren immer nur die kleinen “wilden” Schafe, die man “geerntet” hat aber die man nie gezielt gezüchtet hat. Und Natur bevorzugt “Vielfalt”. Zum Glück hat der damalige Laird die Schafe für unwichtig gehalten und hat sie an der steinigen Küste ihrem Schicksal überlassen. So konnten sie zeigen, was genetische Vielfalt “kann”. Kaum Frischwasser, extrem salzhaltige Nahrung, die noch ein paar unangenehme Inhaltsstoffe wie Arsen enthält. Dazu die Gefahr, von extremen Stürmen einfach weggespült zu werden. Sie haben sich angepaßt! Und die cleveren Bewohner haben es geschafft, diese Besonderheit zu vermarkten.


North Rondaldsay Sheep

Färö Schafe kenne ich nur von Bildern und Filmen und Erzählungen. Was mir aufgefallen ist: Die sind echt groß! Auf der Konferenz bemerkte jemand daraufhin, der Grund wäre, daß Färö keine Hirsche oder Elche oder ähnliches Wild hätte. Und damit keine Möglichkeit für die jungen Männer, sich mit den größten Trophäen zu schmücken. Da mußte man halt den größten Bock mit den größten Hörnern haben. Diese Bemerkung schlägt den Bogen zu der Archäologin Louisa Gidney. Sie hatte die These, daß man “damals” (welche Zeit auch immer sie untersucht hatte- hab ich vergessen) nicht auf “groß, größer, am größten” gezüchtet hat. Eben weil damals die Tiere meist Frauensache waren und: Women like small animals. In Färo “erntet” man die Schafe (auch) von fast senkrechten Felsen. Und das ist Männerdomäne!
Färö Schaf
Dafür, daß ich nur eine kurze Einleitung schreiben wollte, ist es lang geworden. Ich werde demnächst auf die verschiedenen Schafe in noch mehr Detail eingehen. Was mir auf der Konferenz aufgefallen ist und was mich fasziniert: Der sehr unterschiedliche Umgang mit den Tieren und deren unterschiedliches Verhalten! Wie Menschen mit Tieren umgehen und Tiere mit Menschen ist ein absolut faszinierendes Thema! 

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für Deinen Reisebericht zu den nordischen Schafen. Ich fand alles sehr spannend und informativ. Und ich habe mich über jedes neue Kapitel gefreut.
    Schade, dass die Reise jetzt wohl zu Ende ist, aber Du wirst ja wohl noch die eine oder andere Nachbearbeitung schreiben (hoffe ich).
    Marbeth

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