Mittwoch, 12. Dezember 2018

Ist Wolle wirklich was Schlechtes?

In diversen Medien stolpert man immer wieder darüber, daß Wolle schlecht ist. Schafhaltung überhaupt. Die Tiere werden mies gehalten, bei der Schur gequält, auf grausame Transporte geschickt und für's Klima sind sie das Letzte!

Aufrufe zum Boykott von Wolle kommen nicht nur von Organisatonen, die kein vernünftiger Mensch ernst nehmen kann, sondern auch von welchen, die eigentlich einen guten Eindruck machen. Die Albert Schweitzer Stiftung finde ich da besonders enttäuschend.
Leute: Wo habt Ihr Eure Informationen her?
Ich bin ja nun viel unterwegs in Sachen Schaf und kenne viele Betriebe. In Deutschland, Österreich, der Schweiz, Tschechien, Norwegen, Schottland, England, Irland,....

Wie kommt es, daß ich ein ganz anderes Bild habe?

Edit: Ich wollte eigentlich was anderes über Wolle schreiben und bin abgedriftet... Dabei habe ich für den anderen Blogbeitrag extra ein Bild geknipst. Ich war zum Tag des offenen Handwerks auf einem Hof (Schäferei Drutschmann, die für mich immer die Wolle kardieren) und mußte einfach Strickwolle mitnehmen und ausprobieren. Die Wolle ist super! Die Mütze ist von der Shetland Wool Week vor ein paar Jahren . Die ist auch gut. Und mein Fotomodell posiert auf einem Schaffell aus Brandenbug und einer Wolldecke aus Norwegen. Wer das Ensemble nachbauen will: Das Kissen ist frei Schnauze gestrickt, das Sofa Massenware von Ikea, der Hund einmalig.) 




Zurück zu Lück:

Fachinformationen zu Klima, CO2-Bilanz, Produktionsbedingungen etc. findet man im Internet. Die Fachartikel und offiziellen Statistiken bestätigen mein Bild.

Natürlich gibt es schwarze Schafe - auch unter den Schäfern.

Unfair wird es, wenn in den Medien solche Vorkommnisse als globale Normalität präsentiert werden. Noch schlimmer, wenn in den Artikeln eine andere Information angehängt wird, die damit gar nichts zu tun hat. Ein Beispiel: Ein Bericht über miese Tiertransporte. Und im Anschluß die Information, daß täglich soundsoviele Tiere von Schottland nach Nordirland gebracht werden. Da beschließt die Fährgesellschaft schnell mal, daß sie das nicht mehr macht. Öffentlicher Druck. Man tut was für's Tierwohl.
Wirklich? Ich finde es sinnlos, Tiere sonstewieweit zu transportieren, um sie dann DORT zu schlachten. Es gibt Tiefkühltruhen. Aber was ist mit Jungtieren, die auf Irlands grünen Weiden wachsen sollen? Was mit Zuchttieren? Hat der miese Transport aus dem Anfang des Berichts irgendetwas zu tun mit den Tieren auf der Fähre? Außer, daß es um 'Tiere unterwegs geht'? Das ist schlechter Journalismus. Billige Stimmungsmache, die niemandem etwas bringt.

Unsere Gesetze in der EU sind realitv streng. Die dürfen gerne noch strenger werden. Aber darum geht es in solchen Artikeln nicht. Es geht um Stimmungsmache und als 'Verbraucher' beschließt man dann, dieses oder jenes nicht mehr zu kaufen, weil man Schlechtes gelesen hat. Manchmal hat man Schlechtes über was ganz anderes gelesen aber wurde manipuliert...

Natürlich gibt es Länder, in denen die Tierschutzstandards viel zu niedrig sind.
Will ich mit dem Kauf meiner Klamotten kein Tierleid verursachen, was bleibt mir? Ich kann auf Wolle verzichten. Aber was dann?

Kunstfaser-Textilien sind nicht sooo weit hinten in der Statistik zum Plastikverbrauch (der weitaus größte Teil wird für Verpackungen und Baumaterialien verwendet). Wenn es um Mikroplastik im Wasser geht, sind Klamotten weit vorne. Bei jedem Waschen geht davon einiges ins Wasser. Aus Umweltgesichtspunkten also auch nicht super.

Dann ist da Baumwolle. Monokulturen, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, manchmal auch von Entlaubungsmitteln, Aufbereitung und Färbung mit giftigen Stoffen... dazu in einigen Ländern niedrige Standards zum Gewässerschutz vor diesen Stoffen und erst recht niedrige (oder gar keine) zum Schutz der Arbeiter. Und das sind oft Kinder, die da in der Giftbrühe stehen. So pauschal besser wirkt das nicht.

Seide: Die armen Seidenraupen! OK, das Argument ist nicht meins... die werden nachher Hühnerfutter und die Hühner ernähren eine Familie... Seide ist nun aber nicht gerade das Material, aus dem man sich eine warme Wintermütze macht.

Leinen und Hanf: Da findet man tatsächlich wenig Schlechtes. Überwiegend scheint Hanf und Leinen unter ordentlichen Bedingungen produziert und verarbeitet zu werden.
Bei Klamotten aus Leinen und Hanf hat man eine gute Chance, keine Umweltsau zu sein. Auch ohne so ganz genau hinzugucken.

Ansonsten kann man das nicht so pauschal sagen.

Wolle als Faser ist genial. Würde das jemand erfinden, würde er sich mit dem Patent eine goldene Nase verdienen. Oder zwei. Wärmt auch, wenn es nass ist. Macht perfekten Temperaturausgleich, stinkt nicht gleich...
Wollklamotten halten lange und danach sind sie recyclebar (nur 1,3% textiler Fasern sind Wolle aber beim Anteil an recycelten Fasern macht Wolle 5% aus) oder einfach biologisch abbaubar. Man muß Wollzeug nicht so oft waschen und wenn, dann wird da kein Mikroplastik frei.

Der "Anbau", wenn gut gemacht, erhält nicht nur artenreiche Habitate, die mehr CO2 binden als durch die Schafhaltung freigesetzt wird: Schafhaltung kann solche Habitate sogar erschaffen!
Weidehaltung von Schafen und Rindern verdient eine bessere Berichterstattung! Man könnt ja meinen, pupsende Kühe wären unser größtes Klimaproblem. "Die Rinderhaltung" sind nicht (nur) Mastbetriebe/Feedlots mit Rindern, die mit genmanipuliertem Futter von abermillionen Hektar überdüngter und gespritzter Monokultur gefüttert werden. Nicht mal in den USA ist das so und bei uns erst recht nicht! Klimaneutral und klimapositiv (also mit negativer CO2 Bilanz) ist nicht nur möglich sondern auch gut etabliert!

Die Schafhaltungen, die ich kenne, sind tiergerecht und umweltfreundlich. Einige Betriebe stechen da nochmal heraus, weil sie besonders gut sind, besonders wichtige Habitate pflegen und/oder alte Rassen erhalten.

Fjordlandschafe. Spaelsau auf Sylt. Sie erhalten u.a. Küstenheide und Salzwiesen.

Es gibt viele, viele Betriebe, mit deren Wolle würde man rundum Gutes tun. Für die Umwelt, für die Artenvielfalt, das Klima, traditionelle Landnutzung, Erhalt von Kulturerbe und Naturerbe,...

Aber auf dem Wollpuli im Klamottenladen steht das nicht drauf. Es gibt Siegel. Gibt es auch bei Baumwolle. Aber was bedeuten die? Da gibt es immer zig verschiedene und alle klingen toll...

Was bleibt mir übrig beim Klamottenkauf? Ich gehe ja nicht gerne einkaufen. Ich gehe nicht mal gerne Schokolade kaufen! Der schnelle, billige "Kick" eines neuen Teilchens ist nicht so meins aber rein unter den Gesichtspunkten Tierwohl, Umwelt, Nachhaltigkeit:

Kunstfaser für Klamotten, die man lange behalten wird und besonders für solche, die nicht ständig gewaschen werden müssen. Diese tollen, superwarmen Jacken mit Hohlfasern, die so gut wie nix wiegen und irre teuer sind! Die sind leider nicht hart im Nehmen. Ein Hoch auf moderne Kunststoffe, Klebstoffe und Flicken!


 Ebenfalls unverzichtbare Kunstfaserklamotte: Der gute alte Friesennerz!

Funktionswäsche aber lieber aus Wolle oder mit Wolle. Von Firmen, die einen Anspruch haben. Ortovox zum Beispiel. Die haben auch Tencel entwickelt. Die einzige (?) Kunstfaser, die unter Umwelt- und Nachhaltigskeitsaspekten entwickelt wurde.

Baumwolle: Keine Ahnung. Es gibt da ein Biosiegel. Und Fair Trade. Ob das was aussagt? Besser als ohne Siegel vermutlich...

Wolle: Funktionszeug gibt es von Firmen "mit Anspruch'.  Im großen und im Kleinen. Ich glaube, man hat bessere Chancen halbwegs nachhaltig zu handeln, wenn man Wolle kauft. Irgendwelche. Im Vergleich mit "irgendwelcher Baumwolle" oder "irgendwelcher Kunstfaser". Aber gerade bei Wolle geht es "richtig gut"!

Mein Anspruch ist da natürlich besonders hoch. 

2 Kommentare:

  1. Liebe Irina, du sprichst mir echt aus der Seele, ständig dieses Gerede, mir geht es echt auf die Nerven! Und: Es kommt mir vor wie eine Ablenkung von den eigentlichen Problemen, um die es bei der ganzen Kunstfasermassenproduktion geht. Danke für diesen tollen Beitrag! herzliche Grüße aus dem Ruppiner Land Anke

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  2. Diesem Bericht kann ich nur zustimmen, genau meine Gedanken. Baumwolle ist meistens Gen-Baumwolle, das mag ich nicht auf der Haut. Ausserdem ist mir Baumwolle, sowie Hanf und Leinen im Winter viel zu kalt. Richtig schnuckelig warm macht nur Wolle. Schafe waren früher schon überaus nützliche natürliche Rasenmäher. Brauchen kein Benzin, keinen Strom, stinken und qualmen nicht und lärmen tun sie auch nicht. Dafür halten sie das Grünzeug genau in der richtigen Höhe, so dass es für Insekten immer genug zu beißen gibt.

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