Freitag, 15. Dezember 2017

Wolle: Sooo teuer? Da kauf ich mir doch ein Schaf dafür!

Es gibt Premiumwolle. Und echt exotische Premiumwolle. Wenn man dafür einen sehr guten Preis aufruft, ist das gerechtfertigt. Diesen Preis für zu teuer zu halten steht jedem frei. Wenn ich da keinen Unterschied sehe oder fühle zu dem, was mein Nachbar mir schenkt: Super Sache!

Skuddenwolle - eher nix Besonderes aber durchaus interessant
Andere sehen da einen Unterschied und können und wollen das Geld auch aufbringen.
Rohwolle
Heute habe ich bei ner Diskussion über Rohwollpreise was gelesen. Nämlich daß man sich für das Geld ja auch ein Schaf kaufen kann. Kann man? Das hat mich interessiert. Kommt man billiger, wenn man seine Rohwolle selber produziert? Kann man sich vielleicht sogar eine goldene Nase verdienen bei diesen Preisen?

Mal flugs überschlagen. Ich mach das also selber.... Ich brauche drei Schafe (so halbwegs artgerecht soll es ja sein). Ich will nicht züchten also nehme ich keine teuren Zuchttiere sondern drei Faserhammel zum Schlachtpreis. (Hammel haben oft die schönere Wolle und werden auch meist zahmer). Schlachtpreis 100€/Tier
300€
Dazu kaufe ich noch drei E-Netze und ein Weidezaungerät. 450€
750€
Die Wiese habe ich geerbt und die ist direkt hinterm Haus. Kostet mich nix.
Dann kaufe ich noch nen Eimer und ne Klauenschere und so Zeug für 20€
770€
Ne Raufe baue ich selber. Das Material organisiere ich für 20€
790€
Der Unterstand ist aus ranorganisiertem Zeug auch für 100€ gebaut. Ich bin ja Sparfuchs.
890€

Ich will ja so exotische Wolle... sagen wir mal WensleydaleXGotland. Oder Blue Faced Leicester Mix. Ich wüßte sogar, wer mir vielleicht solche Tiere verkaufen würde. Luftlinie 400 km. Rechnen wir mal mit 300km. Den Hänger für den Transport organisiere ich umsonst. Daß ich bei so einer Entfernung einen Sachkundenachweis für Transport bräuchte, ignoriere ich mal. 90€ für Sprit
980€

Das sind alles einmalige Kosten. Da rechnen wir mal damit, daß ich alles 10 Jahre lang habe. Auch den Eimer und die Klauenschere. Ein Buch über Schafe kaufe ich nicht.

Macht 98€/Jahr Investitionen für meine drei Schafe. 32,66 pro Schaf.

Jetzt die laufenden Kosten:
Pro Schaf pro Jahr
20€ für Heu
10€ Kraftfutter
10€ für den Tierarzt (inklusive Wurmmittel und anderer Medikamente) und die Tierseuchenkasse.
5€ für den Schafscherer.

Macht 77,66€ pro Jahr pro Schaf. Rechnen wir mal mit 3kg Wolle pro Tier. Macht 25,88€ pro kg.

Allerdings habe ich ja auch Zeit reingesteckt. Sagen wir mal 5 Minuten pro Tag. An einigen Tagen guckt man nur kurz nach den Tieren (die sind ja direkt hinterm Haus), an anderen muß man umstecken, füttern, Klauen schneiden, entwurmen, Wiese nachmähen etc. Dafür zahle ich mir Mindestlohn. (Ich könnte ja auch für Mindestlohn arbeiten gehen und mir davon Wolle kaufen). Da bin ich plötzlich bei 32,10€/kg nur in Arbeitszeit! Plus die 25,88 macht 57,98€ Also zahl ich mir lieber doch nix. Ich kauf auch dem Nachbarn keine Flasche Wein für's "nach den Schafen gucken" falls ich in den 10 Jahren doch mal nen Tag oder auch mehrere irgendwo anders sein muß/möchte.

Shetlandschaf
Die Kosten sind gaaanz unten angesetzt. Sparfüchse bekommen das schon hin! Ich habe auch nicht einberechnet, daß die Wolle nicht jedes Jahr gelingt. Im ersten Winter lerne ich nämlich, daß dieses Standard-Raufen-Design, das ich so günstig gebaut habe, gar nicht taugt für "Wollproduktion". Die sind im Null komma nix eingefüttert wie Sau! (Verdammt! Ich hab die Einstreu für den Unterstand vergessen in der Kalkulation. 20 Euro für nen Rundballen Stroh. Reicht zwei Jahre bei meinem Mini Unterstand. Drei Euro pro Jahr pro Tier = 1€ pro kg Wolle.)
Die Zeit, die ich im Internet recherchiere nach besseren Möglichkeiten für ne Raufe, knappse ich von den täglichen fünf Minuten ab. Macht aber nix, daß die Wolle im ersten Frühjahr komplett eingefüttert ist. Ich hab nämlich echt Probleme, einen Schafscherer zu finden und der, der dann kommt, zerschnippelt mir die Vliese. Im zweiten Winter bitten die Nachbarskinder so nett, ob sie beim Füttern helfen dürfen. Uuuupppsss - da ist das Heu in der Wolle gelandet statt in der Raufe. Das Jahr drauf ist eines dieser seltsamen Frühjahre. Naß, super warm, naß, kalt - immer abwechselnd. Da verfilzt mir die Wolle am Schaf.

In dieser völlig utopischen Kalkulation kostet mich das kg Rohwolle also 26,88€. Reine Produktionskosten.

Na dann mal los! Ich hab da drei reizende Jungs, die spitzen Faserhammel wären. Sind 3/4 Shetland - also sehr klein. Fressen weit weniger und wenn man Schlachtpreis veranschlagt, kosten sie entsprechend weniger. Ist aber auch nur ein gutes kg Wolle dran. Sagen wir, die kosten die Hälfte und fressen die Hälfte (utopisch wenig, wie alles in dieser Rechnung) Macht 57,66€ reine Produktionskosten pro kg Wolle. (Das Stroh müßte da noch drauf. Das ist pro Tier und nicht pro kg Körpergewicht oder kg Wolle - also 3,33€ pro Tier und in diesem Fall auch pro Kilo Wolle.... 60,99€/kg Wolle.)

Also nein: Wolle, die unter 26,88€/kg kostet, kann man nicht so einfach billiger selber produzieren. 
Schafhalter kalkulieren üblicherweise ganz ohne Wollerlöse. Hobbyhalter wie ich kalkulieren gar nicht. Die Schafe machen Spaß und zumindest bei mir ist die Wolle ein Grund, stolz zu sein. Drum kostet die Wolle auch nur, was man selber haben möchte für die Extra-Arbeit (Sortieren, Internetverkauf von Einzelvliesen inkl. Bilder und Beschreibung, Emails schreiben, Wollproben verschicken, Kartons organisieren, zur Post tragen). Damit geht man rauf oder runter - je nachdem, ob man was Besonderes anzubieten hat oder nicht.

Auf diese Wolle freue ich mich schon!

3 Kommentare:

  1. Das ist sehr treffend zusammengefasst!

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  2. Klasse und lustig geschrieben, danke für den "Augenöffner"

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  3. Wirklich gut geschrieben... da bin ich schon froh, dass ich gut 500 Wollproduzenten quasi vor der Haustüre habe, deren Besitzer mit denen jeden Tag unterwegs ist... und ich kann mir für nur 3 Euro Pro Kilo die schönste Wolle raussuchen... und zwar so viel, wie ich möchte.... (und dabei macht der Schäfer noch deutlich mehr Gewinn, als beim Großhändler.... und ich bekomme.... tolle Wolle :D Win-Win-Situation )

    Dass das kein BFL oder Wensleydale oder dergleichen ist... ist zwar schade... aber wenn man mit süddeutschem (nicht gaaanz flauscheweichem) Merino rechnet... und die Wolle sich letztlich als deutlich weicher, langstapeliger und mit mehr Crimp herausstellt... (weiß der Geier was da mal mit rein gekreutz wurde)... Also ich find das fein :D.

    Was ich da auch noch gut finde... ich weiß, wo die Schafe herkommen, wie sie gehalten werden und... ich kann auch mal kuscheln gehen...und das sogar ganz kostenlos ;)

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