Ich hab neulich eine vergnügliche Zeit damit verbracht, nach Wörtern zu googeln, die es in anderen Sprachen nicht gibt. (Eigentlich wollte ich eine norwegische Redewendung nachschlagen und dann kam eins zum anderen.....)
Deutsch hat es da einfach. Wir setzen einfach Wörter zusammen, behaupten, es wäre EIN Wort und es gäbe kein Äquivalent in anderen Sprachen.
Manchmal stehen da Konzepte dahinter, die keine Entsprechung in anderen Kulturen haben. Manchmal wird einem das auch einfach vorgworfen..... "Says a lot about the Germans that they have a word for Schadenfreude". Ja. Schon. Wir geben das wenigstens zu! Ähnlich aber nicht identisch sind smug und gloat. Die haben nur beide den (auch nicht sympathischen) Beigeschmack von "hätte ich Dir gleich sagen können!" (oder in Sachsen: "Hätt ich dir können gleich sagen!") Schadenfreude kann man auch haben, wenn man es nicht besser gewußt hätte....
Es sagt auch etwas aus, daß wir ein Wort für Waldsterben haben. Das hat es sogar in den französischen Sprachgebrauch geschafft. Ich glaub ja, wir haben einfach die "richtige" Position in Europa, um diesen Begriff zu prägen. Die Skandinavier lieben ihren Wald noch viel mehr aber das schockierende Sterben in den 80igern hatten sie nicht. Dann braucht man da auch kein Wort dafür......
Dann haben wir noch Heimweh. Das haben viele andere auch. Aber wer hat noch Fernweh? Und wenn man weder Fernweh noch Heimweh hat, dann ist da noch der Weltschmerz. Herrjeh! Dann ist da noch die Angst. Die bei uns aber (heute) gar nicht die Bedeutung hat, die man ihr im Englischen zuschreibt. (Türken und Russen haben übrigens auch ein Wort für Schadenfreude. Und Tschechen und Russen habe gleich mehrere Wörter, die in Richtung "Weltschmerz" gehen..... oder sogar Wörter für spezifische "Seelenschmerzen" verschiedenster Art.)
Was noch? Vielleicht weniger düster? Wunderkind! Ha! Gummibär, Doppelgänger, Ersatz, Fest, Poltergeist (!), über, Abseilen (und das, wo doch "freeclimbing" in Sachsen erfunden wurde).....
Im Zusammenhang mit Schafen haben wir den Begriff standorttreu. Witzigerweise habe ich das in Wales gehört als lack of Wanderlust.
Und wie bitte kommt man aus ohne Kopfkino oder Ohrwurm oder Fremdschämen? Das spricht doch zumindest für ein Mindestmaß an Fantasie und Empathie (nur, um der Schadenfreude mal etwas entgegenzusetzen....)
Umgekehrt hat Google mir so gut wie nichts ausgespuckt, was wir nicht ausdrücken können. Vicarious ploppte da auf. Im Wörterbuch findet man dazu den Eintrag: Vicarious embarrasment - Fremdschämen. Geht doch! Ob man nun zwei Wörter braucht oder sich ein neues zusammensetzt....
Google sagt auch, in Schottland hätte man ein Wort für diesen peinlichen Augenblick, wenn man jemanden trifft (und evtl. vorstellen sollte) dessen Name einem gerade nicht einfällt. Hirnrattern zur Namenserinnerung unter Druck. DAS ist was, was uns fehlt! Mir zumindest!
Mit zusammengesetzten Wörtern ist es einfach, neue Wörter zu erschaffen. Wir haben da echt einen Vorteil! Wir bilden einfach ein Kompositum, das zur Informationsverdichtung im Sinne der Sprachökonomie ein Syntagma in einem einzelnen Wort ausdrückt!
Trotzdem bleiben Dinge und Konzepte unbenannt! Beispiel: Dieses Ding, was man auf dem Band an der Supermarktkasse zwischen die Einkäufe verschiedener Kunden legt.
Max Goldt hat sich damit schon vor Jahren beschäftigt. So richtig durchgesetzt hat sich sein Ware-Kunde-Zuordnungshölzchen aber nicht. Bei mir im Bekanntenkreis schon....
(Ebenfalls spannend: Ich glaube, da gibt es unausgesprochene Verhaltensregeln.... Wenn ich fertig bin, lege ich ein Ware-Kunde-Zuordnungshölzchen hinter meine Ware und signalisiere dem Kunden hinter mir damit, daß er loslegen kann. Wenn der Kunde vor mir kein Ware-Kunde-Zuordnungshölzchen hinter seine Ware legt, dann warte ich. Erst, wenn so ca. 40cm Band leer bleiben, lege ich das Hölzchen drauf. Auch wenn sein Einkaufswagen leer ist warte ich höflich ab, ob er nicht doch noch irgendwo Einkäufe herzaubert....)
Douglas Adams hat sich in "the meaning of liff" (und der Fortsetzung dazu) auch damit beschäftigt. Seiner Meinung nach fehlen verdammt viele Wörter! Während andere beinahe ungenutzt auf Ortseingangschildern vor sich hinvegetieren. Also hat er die zusammengebracht. Das Buch ist schon etwas älter, weshalb einige Begriffe obsolet sind (bzw. nostalgisch). So z.B. Skibbereen. Eine schnuffelige Kleinstadt in West Cork in Irland. Bzw.: Das Geräusch, wenn man an einem heißen Tag aus einem dieser Liegestühle aufsteht, die aussehen, als wären sie mit Wäscheleine bespannt. Wie heißen die überhaupt?
Die fehlenden Wörter nennt man übrigens lexikalische Lücken. Die läßt man nur dort offen, wo es nicht weiter stört. (Ein Sammelbegriff für Brüder und Schwestern ist deutlich nötiger als einer für Onkel und Tanten. Wenn die zusammen anrücken, dann kommen Großeltern, Geschwister und sonstnochwer meist auch mit. Dafür hat man dann Wörter: Familie. Oder bucklige Verwandtschaft.) Man kann lexikalische Lücken bei Bedarf auch schließen. Mit Lehnwörtern oder Neuschöpfungen, die man an Neuschöpfungen anderer anlehnt. Brain freeze - Hirnfrost: Als ich klein war, mußte ich da wortlos drunter leiden (auf "schlau" heißt das übrigens sphenopalatine ganglioneuralgia). "AUUU!! HIRNFROST!" ruft sich aber einfach besser!
Die ganzen "kulturspezifischen" Wörter braucht man gar nicht anderswo ....
Wenn man das Konzept "Schnitte" (Butterbrot / Smørbrød) schon mit "open faced sandwich" umschreiben muß, dann kann man kein Spezialvokabular aus diesem Themenbereich erwarten. Gestolpert bin ich über eine Liste mit norwegischen Wörtern, die es im Englischen nicht gibt. Unter anderem pålegg.
Gibt es nicht im Englischen.
Pålegg ist der Belag. Wir nutzen das Wort noch anderweitig und müssen spezifizieren, wenn es nicht aus dem Kontext klar ist: Brotbelag. Außerdem unterteilen wir den Sammelbegriff bei Bedarf nochmal in Aufstrich und Aufschnitt. Der Norweger hat einfach mal ein Wort für alles, was auf die Schnitte drauf kommt.
Macht den Einkaufszettel übersichtlich. "Kauf Brot und Belag!" Wie sieht so ein englischer Einkaufszettel aus? Kauf Brot und "was zum drauftun?" Wenn es eh kaum was zu kaufen gibt, was man auf sein Sandwich tun kann, dann braucht man allerdings auch keinen Sammelbegriff...
Ein weiteres norwegisches Wort ohne englische Entsprechung: Tøffelhelt. Was sagt jetzt das über unsere kulturellen Gemeinsamkeiten aus, daß wir (Deutsche und Norweger) ein Wort für Pantoffelheld brauchen? Es gibt in Norwegen noch den myk mann, der nicht ganz so ....pantoffelheldig ist.... Der ist vielleicht ein Weichei?
Dann wäre da noch Schunkeln. Das Konzept, nur organisiert und keinesfalls individuell Freude auszudrücken, gibt es auch anderswo.... Ich erinnere mich da an meinen ersten (und letzten Besuch) bei einem Baseball-Spiel in Amerika.
Nur belassen es die meisten Anderen bei einer Vorstufe zum Schunkeln: Wenn das Publikum anfängt, mitzuklatschen! DAS machen viele! Wie nennt man das Bedürfnis, sein Instrument hinzulegen, sich die Ohren zuzuhalten und rauszurennen? Die reflexartige Reaktion auf Schunkel-Antizipation?
Wenn man googelt nach unübersetzbaren Wörtern, trifft man auch auf das norwegische koselig (klingt a weng wie "kuschelig") und das niederländische gezellig. Beide werden mit gemütlich übersetzt und mit cosy aber das trifft es nicht ganz. Da gehört mehr dazu. Ich glaube, die Bedeutung von koselig und gezellig ist sehr ähnlich. In Dänemark sagt man hyggelig dazu. Das Wort benutzt der Norweger für.... Freude, die mit Menschen zu tun hat: Kennenlernen, Wiedersehen und so.... hyggelig ("hüggelli" - erinnert mich vom Klang an glücklich)
Mit einer Kombination von kuschelig (huschelig) und gesellig nähert man sich der Bedeutung von koselig / gezellig an. Da gehört mehr dazu als warme Socken, eine Tasse heiße Schokolade vor'm Kamin und sowas.... eine Vertrautheit.... Kuschelig beinhaltet da schon mehr davon als "gemütlich"..... Wir hatten da auch mal ein Wort für, das sich aber nur noch auf Türschildern aus Salzteig findet (oder Holzschildern mit Brandmalerei). Traut. "Trautes Heim, Glück allein!"
Vertrautheit, Wärme, Zufriedenheit, Nähe, .... ein Konzept für dunkle Wälder und lange, kalte Winter. Viele Wörter, von denen in verschiedenen Sprachen jeweils eines stellvertretend das Konzept beschreibt... Wie kommt jetzt das? EIN Wort für das Konzept ist jünger als die einzelnen Sprachen? War das Konzept so selbstverständlich, daß man ein WORT (oder EIN Wort) erst später brauchte? Als die Sprachen sich getrennt hatten? Oder ist da einfach was durcheinandergeraten wie bei hell auf deutsch, englisch, norwegisch: Gegenteil von dunkel, Hölle, Glück....
Englische Redewendungen ohne deutsche Entsprechung gibt es einige. Nur fällt mir gerade keine ein.... Bei einzelnen Wörtern gibt es vermutlich in jeder Sprache kleine Unterschiede...
Serendipity. Gibt es als Serendipität - aber das benutzt niemand. Wir haben nur den "Glücksfall" oder den "glücklichen Zufall". "Ich hab was Tolles gefunden, obwohl ich etwas anderes gesucht habe" bzw. "Ich hab was Tolles gefunden, ohne es gesucht zu haben". Das ist nah genug. Ob es eine Sprache gibt, die zwei Wörter hat, um beides getrennt ausdrücken zu können?
Serendipity got me thinking..... about hopes and (secret) expectations and about finding something ...undreamed of.... and about a word that I'd like to have. For a huge big load of memories ... condensed into a precious pearl of unknown joy and unknown pain. Sometimes it sings to me and I wonder if I only imagine that it does.... it probably sings to... something... not to a tune that still lingers..... That tune... that nameless pearl...
Precious thing. Precious gift. I sometimes say thank you to the moon for it....
Well - I was thinking about that all day... and wondered if it has ever been there and if I should throw away what is probably a rough old pebble that I coat with mother of pearl to smooth the edges..... thinking about words all day and about how some people are so very good with them that they can write poems about .... anything really .... Now I'm truly stuck for words...
Ganz unpoetisch und unkreativ und ganz viel Anderes mit "un-" vorne dran ABER mit Schaf (auf ein Selfie mit mir hatte die dicke Dörthe keinen Bock - aber ich hatte ebenfalls eine Weihnachtsmannmütze auf, als ich das Bild gemacht habe!)
Das Brasilianische hat ein paar schöne Wörter, die schwer zu übersetzen sind: saudade (geht in Richtung Sehnsucht, Weltschmerz), alegria (am ehesten mit Lebensfreude zu übersetzen). Ich glaube vor allem Wörter, die Emotionen ausdrücken, sind im Brasilianischen viel stärker, intensiver als im Deutschen.
AntwortenLöschenDas Ding was auf dem Kassenband liegt heißt übrigens Warentrenner (ich musste das mal übersetzen und habe lange gesucht).
Oh ja, gezellig ist ein schwer zu übersetzendes Wort. Und das kommt ständig in holländischen Texten vor. Es ist gleichzeitig gemütlich und gesellig. Man sagt es aber z.B. auch leicht ironisch, wenn sich vor einem die Aufzugtür öffnet, der Aufzug schon proppevoll ist und man sich noch dazwischenquetschen muss.
Was im Deutschen auch fehlt ist ein Wort für "sein Studium beenden". Im Holländischen: afstuderen. Wir deutschen Studenten haben da in Rotterdam einfach abstudieren draus gemacht: "Er hat letztes Jahr abstudiert".
Lustig ist im Holländischen auch die Verwirrung mit den Wörtern wie, was, war...: wie (NL) = wer (D) = who (E), hoe (NL, hu ausgesprochen) = wie (D), was (NL) = war (D), waar (NL) = wo (D).
Also dieses "wer, wie wo, who, hvem, waar...." da ist doch so richtig was durcheinandergeraten.... Ich geb den Wikingern die Schuld. Oder der Hanse... die konnten irgendwas nicht richtig aussprechen und haben dann ihr eigenes Wort genommen oder einfach irgendeines....
AntwortenLöschenUnd warum haben wir kein Wort für "Studium beenden"? Warum gibt es anderswo eines? Ist das da was besonderes?
Und es gibt kein Wort für "ich möchte nichts mehr trinken". Nichts mehr Essen ist ja "satt"... aber keinen Durst mehr? (Am unwahrscheinlichsten, so scheint mir, ist es, dass die Iren so ein Wort haben könnten... und ja, Skibbereen ist sautoll, da wäre ich am liebsten gaaanz lange geblieben.)
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